Das Interview führte und schrieb LZ-Redakteurin Sigrid Zeindl:
Die SPD-Fraktionsvorsitzende über Oppositionsarbeit und Zukunftsthemen
In den kommenden Wochen wird die LZ in Gesprächen mit Oberbürgermeister Alexander Putz und den Vorsitzenden der Stadtratsfraktionen das politische Geschehen in Landshut beleuchten. Diese Wochewar unsere Fraktionsvorsitzende an der Reihe.
Ein dunker Tag in der Geschichte Landshuts.
Landshuter Zeitung: Frau König, der neue Stadtrat hatte mit Corona, Ausschussbesetzungen und neuen Fraktionszusammenschlüssen einen wenig ruhigen Start. Wie beurteilen Sie die Situation nach den ersten gut drei Monaten ?
Anja König: Wir finden die Situation sehr schwierig und konfrontativ. Alle Beschwörungen vor der Wahl – gerade von den großen Fraktionen und vom OB –, dass man mehr zusammenarbeiten und mehr Ruhe reinbringen will als in der letzten Periode, sind nach hinten losgegangen. Die Konfrontation ist mit der „Schrägstrichfraktion“ noch viel größer. Absolut enttäuscht waren wir über die Ausschusssitz-Erhöhung: Ohne Not und auch noch am 8. Mai – am 75. Jahrestag der Befreiung vom Nationalsozialismus – setzt man so ein Zeichen und verdoppelt die kommunalpolitische Macht der AfD. Das wird als dunkler Tag in die Geschichte von Landshut eingehen.
LZ: Das nagt noch immer an Ihnen?
Anja König: Das wird auch nicht aufhören. Noch schlimmer war, dass die AfD noch nicht einmal etwas dafür machen musste, die Steigbügelhalter sitzen schon im Stadtrat. Die CSU hat den Antrag mit großer Unterstützung durch den OB gestellt, und die ÖDP mischt auch noch mit. Wir sehen noch nicht mal mehr ein Bündnis aus den ökologischen Parteien und uns machen, die beiden ÖDP-Stadträte haben sich im Prinzip ja auch noch von der Opposition losgesagt.
LZ: Ihre Fraktion ist auf nur mehr drei Stadträte geschrumpft. Wie läuft die Arbeit – und auch die Zusammenarbeit mit mut-Stadtrat Falk Bräcklein?
Anja König: Wir hatten zwar befürchtet, dass wir uns verkleinern, aber nicht in dem Ausmaß. Aber wir haben den Kopf nicht in den Sand gesteckt und uns neu aufgestellt. Da es jetzt weniger Schultern sind, bedeutet es für den Einzelnen mehr Arbeit. Falk Bräcklein ist ein junger Kollege und eine wahre Bereicherung für uns. Dabei betone ich, dass er zwar von der Liste Linke/mut kommt, aber von der Partei mut stammt – das verwechseln immer mal wieder Kollegen, wenn sie ihn als linken Radikalen darstellen. Ihm gefällt unsere Herangehensweise, dass wir an unseren Themen hartnäckig dranbleiben. Und auch er nimmt kein Blatt vor den Mund.
LZ: Für viel Wirbel hat der Zusammenschluss zur Fraktion CSU/LM/JL/BfL – Sie sprechen von der Schrägstrich-Fraktion – gesorgt. Die Grünen haben angekündigt, Klage zu erheben. Wie geht die SPD mit der Situation um ?
Anja König: Wenn wir die Möglichkeit gehabt hätten, dann hätten wir uns den Grünen bei der Klage angeschlossen. Aber wir sind nicht unmittelbar betroffen, deswegen können nur die Grünen klagen. In unseren Augen ist dieser Fraktionszusammenschluss eine Wählerveräppelung. Es sind vier Listen angetreten, jeder Wähler hat mit Absicht die entsprechende Fraktion gewählt – dass sich diese hinterher zusammenschließen, ist ein No-Go. Deshalb müsste man solche Tarnlisten eigentlich verbieten. Sie haben ja bewiesen, dass es Tarnlisten waren.
LZ: Sie werfen in einem Interview der CSU vor, sich nicht ausreichend von der AfD abzugrenzen und raten Fraktionschef Rudolf Schnur – vor allem aufgrund Verbindungen zu Hermann S. –, seinen Hut zu nehmen. Bleiben Sie bei dieser Aufforderung?
Anja König: Da bleib ich voll und ganz dabei. Es bestand durchaus Kontakt zwischen Rudolf Schnur und Hermann S., auch nach 2015. Das zeigen etwa Recherchen zum Verein „aktiv.bayern e.V“. Dieser ist nicht neu gegründet worden, sondern war eine Umwidmung vom Bürgerforum Landshut – diesen Verein hat Rudolf Schnur 2008 gegründet. Hermann S. hat für den Verein Ende 2016 zwei Veranstaltungen mit rechtsgerichteten Inhalten organisiert, bei denen auch Rudolf Schnur Gast war. Wie kann er dann behaupten, dass er seit 2015 keinen Kontakt hatte? Ich kann keine Abgrenzung erkennen, er sollte auch dazu stehen. Da könnte man an das alte Sprichwort denken: Sage mir mit wem du umgehst und ich sage dir wer du bist.
LZ: Werfen wir einen Blick auf die Sachthemen. Was tut sich in Sachen Landshuter Stadtbau? Zuletzt hat man davon wenig gehört.
Anja König: Wir haben diesen Bürgerentscheid mit zwei Dritteln der Wählerstimmen gewonnen. Nun haben wir zwar das Instrumentarium, aber nach der Wahl nicht mehr die kommunalpolitische Macht erhalten, um unsere Ziele umzusetzen, nämlich bezahlbaren Wohnraum zu schaffen. Wir stehen – vielleicht noch mit den Grünen – allein auf weiter Flur. Es wurden Grundstücke und städtische Wohnungen zur Verwaltung in die GmbH übertragen, aber wir befürchten, das ist auch das Einzige, das sich in nächster Zeit abspielen wird. Leider.
LZ: Sie haben jüngst das Thema Breslauer Straße aufgegriffen. In den Neubauten sollen Obdachlose keinen Anspruch auf eine Sozialwohnung haben. Sie waren mehrfach vor Ort und fordern, dass alle derzeitigen Bewohner auch eine Wohnung in den Neubauten erhalten. Wie ist hier der aktuelle Stand ?
Anja König: Der Antrag ist noch nicht behandelt worden, aber die konservative Seite hat schon mitgeteilt, dass das nicht geht, weil einige von diesen „Nutzern“ mietunfähig sind. Man darf diese Menschen nicht einfach am Rand stehen lassen, nur weil sie Pech im Leben hatten oder durch eine Krankheit schlimm erwischt worden sind. Man muss versuchen, sie aus der Obdachlosigkeit zu bringen. Es gibt genügend Projekte, um mit solchen Menschen zu arbeiten, damit man diese wieder mietfähig bekommt. Wir haben zudem beantragt, dass der Stadtrat in die Vergabe der Sozialwohnungen miteinbezogen wird.
LZ: Für Schlagzeilen hat vor wenigen Wochen der SPD-Antrag gesorgt, den Bismarckplatz in Wilhelm-Högner- oder Kurt-Eisner-Platz umzubenennen. Mögen Sie erklären, warum dieser Antrag zur jetzigen Zeit?
Anja König: Ursprünglich hatten wir den Antrag gestellt, die Ina-Seidel-Straße in Mirjam-Pressler-Straße umzubenennen – Schriftstellerin Ina Seidel war eine treue Hitler-Anhängerin. Bei der Diskussion sind wir auf einen alten Antrag zurückgekommen, nach Wilhelm Högner eine Straße oder einen bedeutenden Platz zu benennen. Das wurde schon beschlossen, er wurde aber auf eine Warteliste mit vielen Namen gesetzt. Um das Ganze voranzutreiben, haben wir vorgeschlagen, den Bismarckplatz umzubenennen. Bismarck war gerade in diesen Wochen deutschlandweit an mehreren Stellen etwas in die Kritik geraten und er hatte jetzt über 100 Jahre die Ehre, dass der Platz nach ihm benannt ist. Högner und Eisner waren zwei Menschen, die politisch wirklich was für Bayern geleistet haben – deshalb der Vorschlag. Das hat dann größere Wellen geschlagen.
LZ: Eine Umbenennung würde aber allein schon aus organisatorischen Gründen viel nach sich ziehen.
Anja König: Ja, sicher. Aber damals ging es ja auch. Da hieß er Obeliskenplatz und wurde in Bismarckplatz umbenannt oder die Benennung des Kennedy-Platzes.
Uns ist die soziale Arbeit sehr wichtig, aber auch Verkehr und Stadtentwicklung, die Schulbusfreiheit, der Handwerkerhof und vor allem die Sanierung und der Neubau des Stadttheaters auf dem Bernlochner-Areal!
LZ: Zuletzt ein Blick auf die Arbeit in den nächsten Wochen und Monaten: Auf welche Themen wird die SPD ihr Hauptaugenmerk richten ?
Anja König: Wir werden unser Hauptaugenmerk nach wie vor auf soziale Themen und bezahlbaren Wohnraum legen. Bayernweit wäre ein Wohnraumaufsichtsgesetz wichtig, für die Stadt Landshut eine Zweckentfremdungssatzung. Es gibt viele Wohnungen, die seit Jahren leer stehen – auf der anderen Seite haben wir hunderte von Wohnungsgesuchen. Man muss die privaten Vermieter mit den Menschen zusammenbringen. Hier ist auch die Politik gefragt, und da könnte eine Zweckentfremdungssatzung hilfreich sein. Dann spielen natürlich Verkehr und Stadtentwicklung eine Rolle. Zu unserem Innenstadtkonzept gehören eine autofreie Innenstadt und Ringbuslinien rund um Alt- und Neustadt. Außerdem würden wir gern die Stadtteile mit kleinen Shuttlebussen mit der Innenstadt verbinden, wo ja bereits bei den anderen ebenso ein Umdenken erfolgt. Die Schulbusfreiheit ist uns ganz wichtig, wie auch der Handwerkerhof und das Vorantreiben des Stadttheaters auf dem Bernlochner-Areal. Wir werden da nicht lockerlassen. Wir haben bei vielen Anträgen durch unsere Hartnäckigkeit irgendwann mal recht bekommen. Wir sind richtige Bretter-Bohrer.